Wo bleibt das Maggi? Anathema und Opeth in der Christuskirche Bochum.

Was ein Event! Anathema und Opeth in der Christuskirche Bochum. Unplugged. Quasi unplugged, denn wie Herr Akerfeldt stetig zu betonen wusste, ist man ja immer verkabelt auf der Bühne. Sei's drum, das Event war eigentlich nicht zu toppen. Höchstens durch eine weitere Vorband namens Katatonia. Aber man muss ja noch träumen können.


Und für Träume blieb viel Platz am Freitag. Dazu später mehr.

Nach Anathemas 95er Silent Enigma, immer noch eine der besten Platten, die ich je hören durfte, konnte mich die Band nicht mehr so recht überzeugen. Die aktuelle Scheibe, Weather Systems, konnte das wieder. Obwohl hier ausgiebig alle (wirklich alle) Möglichkeiten verfügbarer Harmoniewendungen pro Song durchgeörgelt werden, ist sie wirklich gut. Daher freute ich mich auf meine erste Live-Erfahrung.

Auf die Sekunde genau kam Daniel alias Pumuckl auf die Bühne, sagte kurz Hallo und dass er gleich soweit sei, bevor er nochmal ohne Hast in seinem Kaffee rumrührte. Mit der Nummer hatte er mich schon auf seiner Seite. In Ermangelung der Fachtermini schreibe ich besser nicht viel davon, dass er seine eigenen Samples einspielte und wieder drüberdudelte und sich so als veritable Ein-Mann-Band outete. Auch dass er mit dem Hasen zu meiner rechten permanenten Augenkontakt hielt und derart ausgiebig zwinkerte, dass ich schon Meister Eder rufen wollte, nehm ich ihm nicht krumm. Wir saßen in der ersten Reihe, knappe drei Meter entfernt, da muss man da durch.
Ab dem zweiten Song kam Bruder Vincent dazu, der wirklich zum liebhaben war. Und ich war überrascht, wie gut der eigentlich singen kann. Daniel Cardoso kam und ging und kam für die Keyboards und die sehr unscheinbare Gesangstrulla hatte ihre Momente. Keine Drums.
Die Sache mit der Sympathie wurde fortgesetzt, weil die Herren sich nicht im Backstage tummelten, sondern in ihren Bühnenpausen im Zuschauerraum standen und wirklich freudig erregt wirkten.
Spitzenkonzert, Spitzenband, ein Träumchen in Melancholie. Sogar mit Pink Floyd Coverversion.

Der Einzige Mensch, der den ganzen Abend nervte wie das Vox Auslandstagebuch war der verkackte Gitarrenroadie. Der stand drei Meter von uns entfernt und stimmte in einer Tour. Bin, Bing, Binbing, Bing ... es ist nicht ratsam, bei einem Unplugged-Konzert neben der Bühne Instrumente zu stimmen. Aber ich hätte sonst auch an diesem Abend keinen Tobsuchtsanfall bekommen, was wirklich seltsam gewesen wäre.

Der dritte der Cavanagh-Brüder fuchtelte neben der Bühne mit den Fingern und zählte die letzten Sekunden dieses Auftritts ab. Vielleicht war das Fehlen jeglicher Zugaben der Stadt Bochum anzulasten. Ich weiß es nicht.

Dann kamen Opeth. Und die Wendung des Abends irgendwie.
Ich hatte bereits nach Anathema kundgetan, dass der Abend nicht mehr schiefgehen kann. Deshalb war ich auch nicht enttäuscht. Sänger Akerfeldt klopfte wie gewohnt Sprüche und das mag man ja auch an ihm, aber dieserorts wollte es nicht so lustig werden. Lachte ich mich bei früheren Konzerten noch rund über Anekdoten ("Ich habe Sauerkraut in meiner Lederhose" oder "Der Hund ist dunkelblau"), fand ich es eher mäßig, in einer sehr gemäßigten Kirche ohne Götzenbilder, die Raum für Kultur außerhalb Gottes bietet, über Kirchen zu moppern. ZZZZZZZZZ. "I don't belong here", hieß es da, und das merkte man auch. Auch die Hinweise, dass man zwar Profi sei, sich aber nicht so verhalten möchte, hatten scheinbar tiefere Bedeutung. Ohnehin wurde mehr gequasselt als gespielt, was seinen Höhepunkt im nacherzählten Dialog mit Jonas Renkse (Katatonia) über einen gewissen Coversong fand, den Opeth nun endlich spielen dürften. Der meterhohe Spannungs-Turm, der dadurch aufgebaut wurde, stürzte leise rieselnd in sich zusammen, als der Song sich als völlig unspannend erwies. Eine weitere Cover-Nummer, die ich schon vergessen habe, wollte mir ebenfalls nicht so recht im Ohr zünden. Geschmackssache vielleicht, aber Opeth haben auch mal Would? von Alice in Chains gecovert und das hätte mehr Schwung gehabt. Opeth selbst hatten keinen. Ich meine, Axe einmal beim Lachen erwischt zu haben.
Herausragend gut war die Unplugged-Neuauflage von "Demon of the Fall". Punkt.

Fazit: Anathema gern nochmal, Opeth erstmal nicht. Erstmal.