Briefe nach draußen

"Du bist ja immer von irgendwas genervt" ist sehr oft die humanitäre Reaktion auf einen weiteren kläglichen Versuch der Mitteilung ins All. Es ist tatsächlich fast so. Das ist gar keine Frage. Das Perfide daran ist, dass der Satz gar nicht das jähe Ende einer keimenden Unterhaltung sein will, sondern tatsächlich als das erste Rauschen auf ein Signal erfolgt, das hier schon als nicht empfangen gelten kann. Wozu also noch weiter sprechen? Abwenden. Rauchen. Oder Nase putzen. Irgendwas halt. Jedenfalls weg gehen. Aber man soll es niemandem verübeln. Es gibt so viele Frequenzen wie Menschen, und das ist eines der Probleme. Dummheit ein weiteres. Desinteresse noch eins. Ach, die Liste ist so lang.

"Würde ich ohne irgendwelche Sozialkontakte durchs Leben gehen, hätte ich keinerlei Zweifel daran, dass ich es schaffe." ist eine recht logische Konsequenz aus dem, was wir mitunter Miteinander nennen. Für viele klingt das misanthropisch, was auch nur ein weiterer Beweis unserer sinnfreien Versuche des Begreifens ist. Es ist mitnichten ein "Dagegen", sondern vielmehr einfach tiefe Traurigkeit über eine Erkenntnis.

"Redet ihr nie zusammen?!" fragte der Chef mich und meinen Kollegen ständig. Und er traf mit seinem Mangel an Sprachkompetenz den Kern: Alle reden zusammen. Immer gleichzeitig. Es ist unendlich elend, sich immer den Dreck anderer Leute reinzuziehen, der einem selbst nie so richtig was sagt. Wie kann ich die Tiefe von irgendetwas begreifen, wenn ich einerseits selbst schwer damit beschäftigt bin, den Schnorchel aus der Scheiße zu halten und andererseits überhaupt keine Ahnung davon habe, was das Thema für denjenigen bedeutet, der es grad darlegt? Er übt sich dabei ja auch noch in Beschwichtigung, weil jeder über 6 weiß, dass niemand so wirklich vom Leid des anderen erfahren möchte. Man will ja niemandem zur Last fallen und wertet sich und seinen Kram daher schonmal im Vorfeld ab. So spricht einer, während der andere abwartet, entweder Empathie zu zeigen oder endlich seine eigene schwere Butter aufs Brot zu bringen. Ersteres ist löblich, aber doch Käse, weil man sich mit seiner Empathie doch nur selbst beweihräuchern will.

Und dennoch passiert es allzu oft, dass man doch zuhört und es aus ehrbaren Gründen geschieht. Und so japst man durch die Welt, beladen mit Geheimnissen von X und Y, verstrickt in Dinge, die A nicht von B wissen soll. Mit den Jahren sammeln sich Säcke voller Handbücher mit Regeln zu jedem Mitmenschen, bei Verstößen wird bitter empfunden und bestraft. Manch leichter Geist fängt dann mit Schubladen an, um sich zu erleichtern. Schubladen haben allerdings auch selten das Siegel der freiwilligen Selbstkontrolle und die Leute ziehen nur allzu oft um.

Wir sind allein. Und wir haben keine Ahnung, wer da vor uns steht, wenn's doch mal klopft. Die einzige Lösung ist dauerhafter Karneval unter Gesichtern, die wir schonmal wo gesehen haben. Wir lachen miteinander, damit wir nicht heulen müssen. Und die Kneipen sind voll, weil es so wunderbar funktioniert. Es interessiert mich einen Scheiß, ob Deine Mutter im Sterben liegt, mein Job ist weg. Und ich will partout nicht drüber nachdenken, ob meine nächste Woche noch ans Telefon geht. Also sprich Dich aus, ich hol uns solange ein Bier. "Aber ich trinke kein Bier!" "Ich hol ja welches!" Das viel gepriesene Reinversetzen in andere ist so elendig zermürbend, weil es Selbstvergessen voraussetzt, wo wir doch nur mal von uns erzählen möchten. Deshalb gehen wir raus zum Feiern, trinken uns den Schädel leer, sabbeln dummes Zeug als Platzhalter für wirkliche Themen vor denen wir Schiss haben, und wir haben uns gegenseitig allzu offenkundig lieb, damit uns irgendwer zurück lieb hat. Oder zumindest mal ne halbe Stunde so tut. Ein Riesenhaufen Kotze. Es kommt wohl nicht von ungefähr, dass immer da viel Alkohol weg geht, wo Menschen aufeinander treffen.

So traurig könnte es sein. Ist es oft auch. Neben all dem vergaß ich soeben fast die unfassbare Dummheit, die das Leben so pupsgemütlich für den Eigner macht, für den Mitmensch aber unerträglich. Ein einfacher Satz kommt zu 99 Prozent nach dem Stille-Post-Prinzip an. Und meistens ist der Schalter auf der anderen Seite grade gar nicht besetzt. Eine Freundin sagt, dass es darum gehe, sich mit Menschen zu umgeben, für die man sich interessiert. Und die auch umgekehrt Interesse haben. Aber selbst da türmen sich mitunter Mauern auf, die nicht überwindbar sind. Also: weiter feiern und beten, dass man nie bedürftig werde.

Wir können uns nicht um andere scheren. Haben wir gar keine Zeit für. Um 18 Uhr ist Feierabend und es ist keine Wurst mehr im Kühlschrank. Obendrein ist Derrick tot, mein Haar nicht schön und sowieso haben sich die anderen noch nie um mich gesorgt. Warum dann also ich? Und was schenk ich nur der verrhassten Verwandtschaft zum Fest der Liebe? Und komm ich heut gut rüber? Bei wem eigentlich? Und wie kommt nur soviel Pisse in mein Hirn?


"Time to bring it down again.
Don't just call me pessimist,
Try and read between the lines.
I can't imagine why you wouldn't
Welcome any change, my friend."
Maynard J. Keenan


Tool - Aenima



Peter Gabriel - Signal to Noise

Rauchen tut Not

Die Zahl der Nichtraucher stieg in den vergangenen zwei Jahren alarmierend an. Ich habe sogar Nichtraucher in meinem Freundeskreis. Erst heute hab ich wieder einen davon gesehen. Die Gründe, die sie gegen den Konsum von Zaretten anführen, sind zahlreich:
Die Butze stinkt, wenn man drinnen raucht. Man stinkt von innen; selbst, wenn man draußen raucht. Man sei so schlapp. Müde. Die Haut wird oll und faltig. Klamotten kann man nach zwei Minuten schon wieder in die Waschmaschine räumen. Ärzte sagen, die Adern würden eng. Vögeln könnte viel toller sein und Kinder kriegen sei nicht, weil vorne nur noch toter Fisch rauskommt. Ach, es gibt sicher viele mehr und es bleibt völlig uninteressant.

Ich sag Euch mal wie es ist, ihr Nichtrauch-Maden: Nichtraucher haben Mundgeruch! Ich küss lieber eine, die nach Kippe und Gemütlichkeit riecht als nach Scheiße, Zahnfleischerosion und Alkohol. HA! Und ohnehin sind WIR es, die das Land zusammenhalten. So viel Weihnachtsgeschenke und Autos könnt ihr doch gar nicht kaufen, um den Staatshaushalt derart nach vorne zu bringen, wie wir es in einer Woche tun. Und Sport! Freunde! Mit gesunden Lungen kann das jeder. Zieht Euch doch mal zwei Packungen am Tag rein und geht dann zum Sport; da gucken wir mal, wer hier fit ist. Nach zwei Packungen kommt ihr da gar nicht an! Ihr liegt kotzend vor der Tür, während wir leichtfüßig wie die Feen springen und singen. Jaha. Und guckt mal ... seit in Discos und bei Konzerten nicht mehr geraucht werden darf, stinkt es zum Himmel nach Schweiß und alten Unterhosen. Es stinkt nach Euch! Und genau das habt ihr auch verdient.

Eigentlich wollte ich aufhören, um ein vollendet drogenfreies Leben zu zelebrieren. Aber ihr geht mir alle so unfassbar auf den Sack, dass ich einfach weiter rauchen muss. Und ich handle da strikt nach den Worten eines Trainers bei einem richtigen Sport, bei dem nicht auf gepolsterten Höckerchen in rosa Handtücher gepupst wird: "Ich rauche, weil ich sonst zu fit wäre."

Ihr sollt meinetwegen alle gesund sterben. Ich lieg paffend im Nachbarsarg und mein letzter zittriger Atemzug wird ein heiseres Kichern sein! HA! Fuck you! Götter wohnen in Wolken!