Abschied aus Vernunft

„So treibt das Bedürfnis der Gesellschaft, aus der Leere und Monotonie des eigenen Innern entsprungen, die Menschen zueinander; aber ihre vielen widerwärtigen Eigenschaften und unerträglichen Fehler stoßen sie wieder voneinander ab.“
Arthur Schopenhauer (1788–1860)




Es geht nicht mehr. Ich weiß nicht, was mich geritten hat, dort mittun zu wollen, ja, ich weiß es auch nach wirklichem Grübeln nicht. Vielleicht Gruppenzwang, vielleicht einfach Neugier. Ich bin mir da nicht böse. Aber ich mag einfach nicht mehr. Ich darf nicht mehr.

Es gibt da sicherlich viele Gründe. Aber Grund Nr. 1 ist, dass ich zum Misanthropen werde. Ich bin bereits auf einem guten Weg dahin. Aber wenn ich weiter dort bleibe, wird es sich festigen, und ich weiß, wie schwer sowas wieder wegzukriegen ist. Aber nicht nur das. Als Antwort auf den Menschenhass, der in mir keimt, wenn ich zwischendurch mal durch die Gemeinde stöbere, werde ich irgendwann Freunde verlieren. Ich kann den Wesenszug, nie die Fresse halten zu können, mit Mühe eindämmen. Aber das schaff ich nicht andauernd. Und ich werde Menschen verletzen, wenn ich nicht gehe. Ich darf hier nicht bleiben.

Was soll ich tun, wenn mir eine Freundin mitteilt, dass sie sich im Supermarkt soundso in Iserlohn befindet? Und kann ich mich beklagen und mosern, da ich das doch gar nicht wissen will, wo ich Kenntnisse darüber doch selbst eingefordert habe? Leichtsinnig, mit einem unbedachten Mausklick. Ich kann das wegstecken. Aber was ist mit "Guten Morgen, Ihr Lieben?" von einem, dem ich wirklich geistige Stärke zuspreche? Ein Guten Morgen ist doch nicht schlimm, wird der ein oder andere denken. Richtig. Ist es nicht. Aber beim zehnten Mal schon. Und alle Freunde schreiben dann Antworten darauf. "Freunde" ... ein so schönes Wort und es wird zerklickt werden, und niemand kann sich in ein paar Jahren daran erinnern, wie es war, Freunde zu sein. Ich kann dann nicht mehr. Ich sehe links daneben immer sein Gesicht. Ich mochte es immer. Aber da verändert sich etwas in meinem Herzen.
Aber das ist auch noch nicht so schlimm. Schlimm ist, wenn man Dinge liest, die einem wirklich ins Gesicht schreien - wobei ich wirklich nicht sagen möchte, was sie schreien. "Ich liebe Euch alle!", "Scheiß Wetter!", "Regnet", "das war ne Woche!", "Frauentausch Männer sind so blöd!" ... wenn da stünde "mein Kot riecht", "Mama erbricht!", "wo ist mein Penis?", ja, dem könnte ich noch einen gewissen Humor abringen, doch ich weiß einfach, dass diesem ganzen Unfug keinerlei Humor zugrunde liegt, sondern nur ein immenses Mitteilungsbedürfnis derer, die nichts mitzuteilen haben. Mein Liebling ist: "Freitag!" ... also oft nur "freitg!"

Ich habe versucht, es Ihnen heimzuzahlen. Ich habe auch nur Müll geschrieben. Und es geschah, was ich erwartet hatte: er wurde kommentiert. Und wieder sah ich ein: Ich darf das nicht mehr tun.

Ich will das nicht bewerten. Es ist nur einfach nicht meine Baustelle. Jeder, wie er mag. Es gibt Dinge, die ich vermissen werde. Alle paar Monate mal ein loser Kontakt zu einem Freund, zu dem nur loser Kontakt möglich ist. Ähhhmmm ... ja, das wars schon. Wenn's was Wichtiges von Steven Wilson gibt, wird meine Frau mir das schon mitteilen.

Und wenn ihr meine Freunde sein wollt, dann freu ich mich. Schreibt mir einen Brief, ruft mich an, was auch immer. Aber bitte kein Facebook mehr. Ich darf da nicht mehr sein wollen.