Der Abschied vom Artikel

Der Jens verfasste vor einigen Monaten einen Artikel über den sogenannten Balvitiv. Dort, in Balve und Umgebung, findet die Abkehr von der Grammatik statt, die uns einst in Schulen beigebracht wurde. Bedenkt man, dass der dort beschriebene Unfug nur das Sauerland betrifft, beunruhigt es nicht weiter. Wo es nur Kühe und Schützenfeste gibt, kommt man auch mit Stammeln und Lallen noch gut durchs Leben. Wenn ich mir unsere Balver Auszubildende ansehe und -höre, die für mich die Speerspitze kontinentaler Verblödung darstellt, sehe ich ein, dass ein Satz wie "ich dachte schon, warum fährt der im Gebüsch rein" einfach anders nicht kommen darf, weil sonst womöglich niemand aus ihrem Kreis versteht, was sie meint.

Was mir hingegen Sorgen macht, ist die Abkehr von Artikeln – eben jenen kleinen Wörtern, die doch so viel für ihr zugehöriges Nomen tun. Sie geben ihm nicht nur ein Geschlecht, sondern auch Geschmeidigkeit. Ich erkläre es kurz:
DER Hammer, DAS Mädchen, DIE Notdurft. Oder EIN Hammer, EINE Kartoffel.

Warum tun Menschen das?
"Da müssen wir mal Plan machen", sagte meine ehemalige Chefin gern und ohne Anflug eines Schuldbewusstseins. Darüber, dass die Abkürzungen unbestimmter Artikel den meisten Menschen nicht mehr gelingen, rege ich mich längst nicht mehr auf.
"Gib mit mal nen Stück von der Schokolade" zum Beispiel. Ach, wo ich's so lese ... es regt mich doch auf. Begibt man sich ins Internet, wird gern als Entschuldigung angeführt, dass man ja nur schnell tippe. Ich werde diese Rechtfertigung dem nächsten Polizisten entgegenwerfen, wer mich dafür rügt, die Gegenfahrbahn benutzt zu haben. "Bin ja nur mal eben schnell gefahren, Herr Schutzmann."

Vielleicht kommt es daher, dass eben die Abkürzungen komplette Verwirrung stiften. Wenn niemand mehr weiß, was 'ne, 'n oder 'nen bedeuten könnte und auch permanent dafür ins Gesicht geschlagen wird, dass man "ich schmier mir mal nen Wurstbrot" sagt ... vielleicht lässt man es aus Angst gleich ganz bleiben mit den Artikeln. Vielleicht ist auch die Gleichstellung von Männchen und Weibchen die Wurzel des Übels, weil hiernach möglichst jedem Substantiv das Geschlecht entfernt gehört.

Es gibt so einen Ausspruch, den selbst ich schon gehört habe ... irgendwas mit "nur weil Du Gynnasium bist". Das ist so doof wie tragisch, denn scheinbar schämt sich auch die Klientel der höheren Schulen nicht dafür, unglaublichen Satzmüll abzuwerfen. Einzig die Kritik an Ausländern, die mal richtig Deutsch lernen sollen, kommt immerhin grammatikalisch korrekt.

Kürzlich war ich zugegen, wie die "Elite Deutschlands", wie einer meiner Lehrer immer stammelte, frei zu sprechen versuchte.
"Den hab ich seit Geburt", heiß es da. Und ferner "Die sind in Euer Alter". Auch "wo wir auf Gymnasium waren" war deutlich zu vernehmen. Und "drei Morgende waren um". Um hier wirklich nicht zu übertreiben, schrieb ich heimlich mit. Und weil ich mitschrieb, konnte ich nicht alles mitbekommen.

Ich beende hier Gedanken. Bringt ja nix. Ich mag Artikel und werde sie weiterhin benutzen. So wie Alten vor uns.