Grünschnabel

Über drei Wochen lang haben mein Partner und ich für die Prüfung zum Grüngurt geackert und gelitten. Nun ist es geschafft! Ha! Wir sind grün um die Hüften.

Der Grüngurt ist nicht unerheblich. Sind es doch grob 84 Techniken, die in Reihe gezeigt werden wollen. Für den Gelbgurt lernt man 27 Techniken, für den Orangegurt bereits 58. Heute ratterten wir bereits 84 Attacken und Abwehren gegen Klammer-, Festhalte-, Faust-, Tritt-, Messer-, Stock- und Pistolenangriffe und einiges mehr runter, wobei das eigentliche Problem die Konzentration ist, wenn man doch nach drei Vierteln der Zeit einfach liegen bleiben möchte. Und wenn man selbst den ganzen Kram einmal durch hat, steht da noch ein Partner, mit dem man Selbiges noch mal durchleben muss. Hin und wieder kam ich mir vor wie in der Mathe-Klausur zum Abitur damals. Ich wusste auch überhaupt nichts mehr, nur hatte ich da den Vorteil, das ich sitzen und grübeln konnte. Und es gab auch keine Zuschauer. Wenn ich was nicht kann, dann ist es Sachen merken.

Nicht unerheblich ist der Grüne auch, weil hier zum ersten Mal von Seiten der Prüfer wirklich sehr genau hingesehen wird. So gab's auch gleich danach erstmal nen "Anschiss" für mein mehrmaliges "Ne, komm, nochmal" oder "Wart mal grad" während der Prüfung. "Das kannse draußen auch nicht sagen!"
Den weißen Gurt gibt's gratis zum Anzug, den gelben kriegt man für's Erscheinen zur Prüfung, der Orangegurt kommt, wenn man bei der Prüfung auch noch alles auf die Kette kriegt – für den grünen muss man schon ein bisschen was vorzeigen. Der halbe Weg zum Schwarzen ist geschafft. Und die hellen Gurtfarben habe ich abgelegt. Jetzt folgen "nur" noch Blau und Braun, wofür ich mir jetzt schon in die Buchse mach. Immerhin: Onkel Säc hat mit dem Grüngurt vor langer Zeit schon Skinheads erlegt, wenn ich mich recht entsinne.

Ich bilde mir nix ein auf so nen Gurt. Der hält nur die Jacke zusammen. Für mich isses aber durchaus was: Wer wie ich bis ins 29ste Lebensjahr auf der Couch lag und sich grämte, dass er zu unfit ist und das alles nie können würde, der weiß sich an solchen Tagen auf die Schulter zu klopfen. Ich erhielt nie Sporturkunden in der Schule und bekam auch nie was Besseres als ne 4 im Sportfach. Bällchen haben mich nie interessiert. Zigarettchen und Fernsehen schon eher. Dass ich jetzt meine dritte Kampfsport-Urkunde an die Wand nagle, lob ich mir.

Ging ich doch mit dem Gefühl von der Matte, dass ich zwar bestanden, aber ausschließlich Scheiße gemacht habe, kam beim Umziehen auch noch keine rechte Freude auf.

Aber die Frau meines Herzens hat wie so oft alles gut gemacht, als sie mich im Vorraum mit meinem neuen Gurt in der Hand winkend begrüßte. Und es gab noch ne Tafel Ritter Sport mit ganzen Nüssen, was wohl metaphorisch zu betrachten war. Dank dem Hasen! Auch für die Geduld in den letzten Tagen.

Dank auch den Mitschülern aus den Jitsu- und Karate-Kursen, die immer wieder zur Unterstützung antreten und sich auch heute mit nem Wässerchen, viel Lob und Handschlag in mein Herz zuschauerten. Manch Freund und Schwarzgurt-Träger "konnte" ja heute nicht kommen, um dem zu huldigen, der für ihn nach Düsseldorf kommt und zwei Stunden filmt. Punkverräter!!!

Auf geht's zum Blaugurt! In sechs Monaten sind's dann 115 Techniken und ich sollte langsam anfangen, mir ein System von Eselsbrücken zu errichten.