Er mochte keine Samstage

Die Polizeimeldung lautete wie folgt:
"Wuppertal (ots) - Etliche Tausend Euro Sachschaden gab es am Samstagnachmittag nach einem Verkehrsunfall auf der Düsseldorfer Straße in Wuppertal-Elberfeld. Dort war in Höhe der Mettmanner Straße ein 25-jähriger PKW-Fahrer wegen eines Defektes am Hinterrad und unangepasster Geschwindigkeit in ein geparktes Fahrzeug geprallt. Durch den Aufprall wurde auch noch ein dritter Wagen beschädigt."

Bei aller Liebe für nüchterne Betrachtung kann man das allerdings so nicht stehen lassen. Nicht, wenn man dabei war. Und das kam so:

Es ist Samstag Mittag als unser Trainer, mein Trainingspartner und ich auf dem Weg zum Jiu-Jitsu-Lehrgang in Wuppertal an eine rote Ampel geraten. Es gibt dort zwei Spuren: eine für geradeaus, die wir wählten, und eine für Linksabbieger, die der Wahnsinn wählte. Er entschied sich aber noch um.
Neben uns hält ein Smart, dessen Fahrer einen sehr nervösen Gasfuß zu demonstrieren weiß. Er will ein Rennen. Aber mit wem? Als die Ampel grün wird, hat er bereits gewonnen und rattert gen Horizont. Rattert? Tatsächlich! Er rattert. Und das würde jeder von uns tun, wenn ihm ein Rad fehle. Hinten radiert nur eine halbe Felge in unsachgemäßer Haltung die Markierung vom Asphalt. Dem zu erwartenden Rechtsdrall gibt der Fahrer gern nach, indem er kurzerhand die Fahrspur wechselt und nun vor uns fährt. Zumindest ein kurzes Stück, denn so fix beschleunigte unser Alpha nicht. Ich drehe mich zum Fahrer, um mich zu versichern, dass ich das tatsächlich grade sehe und verpasse das Finale. Verdammt!
Ein lauter Knall schreckt mich steif und ich finde die Ursache am LINKEN Straßenrand. Evil Knievel entschloss sich, den angebotenen Parkplatz am gegenüberliegenden Straßenrand auch durch den Gegenverkehr dankend anzunehmen. Sein Anliegen unterstrich er durch einen beherzten Tritt aufs Vollgas. Die Lücke hat er auch gleich vergrößert, indem er den friedlich parkenden Benz kurzerhand um Motorhaubenlänge verkürzte. Der Smart sprang wie ein Reh und landete punktgenau in zweiter Reihe zwischen Hauswand und Benz, wo er alsbald lichterloh zu glimmen begann.
Apropos erste Hilfe ... mein Mund stand imer noch offen, als schon die ersten Helfer das Kleinvehikel in Einzelteile zerlegten, um den Amokmann aus seinem rauchenden (schade, dass es kein Colt war) Wagen zu ziehen. Unter lautem Geschrei verlangte man nach Wasser, um dem Feuer Einhalt zu gebieten.
Eine halbe Minute später erschien eine alte Dame im Hauseingang und gab ihren Putzeimer her. Als dieser schnell verbraucht war, wurde der nächste Bus gestoppt, um dem Fahrer seinen Feuerlöscher zu entreißen. Und der, der ihn geistesgegenwärtig herbeiholte, kann von Glück sprechen. Er wurde nicht nass. Im dritten Stock hatte ein nicht so geistesgegenwärtiger Helfer entschieden, dass das Wasser schneller am Einsatzort ist, wenn es unter Zuhilfenahme der Schwerkraft direkt aus dem Fenster gekippt werde. Der Fahrer war längst befreit, als die Feuerwehr Minuten später die Flammen auf professionelle Weise erlegte.

Im Zuge des Zeugenaustauschprogramms erfuhr ich später Wesentliches: Dem Sportsmann im silbernen Flitzer fehlte ein Rad, weil er dies bei einem Unfall ein paar hundert Meter weiter vorn verloren hatte. Dabei legte sich der Kleinstwagen auf die Seite, wurde aber wieder aufgerichtet, um noch ein paar Meter ordentlich Fahrtwind zu machen. So geht Konsequenz.

Was den Jungmann nun geritten hat, derart Amok zu fahren, entzieht sich meiner Kenntnis. Doch ohne Koks kann man so nicht handeln. Vielleicht erfahre ich es vor Gericht.





WZ-Wuppertal
ungefragt benutztes Bild: Ralf Kollmann