Ich rocke

Es ist alles schlimm. Die Krise geht um. Wer einen Job hat, sollte an ihm kleben. Wer keinen hat, für den sieht's übel aus. Und dann isses auch noch bitterkalt und man fliegt beim Risiko-Spiel als erster raus. Zum Heulen.

Man sagte mir einst, dass ich Eier hätte. Weil ich einen Job, den ich nicht ertragen konnte, auch ohne Aussicht auf Neues kündigte. Ich ziehe den finanziellen Ruin dem emotionalen vor, wofür nur wenig Menschen Verständnis haben. Ich kann nicht robotern und ich kann nicht Scheiße fressen und dabei lächeln. Und ich habe es wirklich versucht. Entgegen der Eintrichterung meiner Elternteilchen bin ich nicht der Ansicht, dass das Leben in erster Linie durch Leid vor anderen und sich selbst zu rechtfertigen ist.
Wer kündigt kriegt natürlich auch nichts beim Amt. Nichtmal von Onkel Hartz. Und so schlug ich mich ein Jahr allein durch. Und das war nicht schön.

So stand ich irgendwann da, am absoluten Ende meiner Finanzen. Jede Rechnung kann das komplette Desaster bedeuten. Und der finanzielle Ruin bedingt auch irgendwann den emotionalen. Nachts wird nicht mehr gepennt. Die Tage sind diesig. Die Aussichten auch: entweder Werbeagentur und anschließend Suizid oder Hartz4 und anschließend Suizid. Es ist nicht der Lohn, für den man arbeitet. Es ist die Mitgliedschaft in einer Gesellschaft.

Und da war die Stellenanzeige, auf die ich gewartet hatte! Ich verabscheue meine Branche und kann das nie genug betonen. Werbung! Das ist der Grund, warum ich morgens nicht früh aufstehen muss. Ich würde eh rausfliegen, weil ich mich permanent auf den Tisch erbrechen müsste. Wahrscheinlich würde ich bereits im Bewerbungsgespräch scheitern, weil meine Augen die korrekte Antwort auf "Warum möchten sie bei uns arbeiten?" schon vor meinem Mund geben. Wie gesagt: ich habs versucht. Doch hier ging es um was anderes. Keine scheiß Reklame für zwei Kilo Mett oder einen Mercedes! Und es war einer gefragt, der auch noch illustrieren kann. Ob der Chef ein bekackter Freak ist wie mein alter oder die Kollegen Rotz sind, erfährt man aus einer Anzeige nicht. Dennoch: das klingt wie mein Job und ich will ihn haben.
Was machen also Leute, die Eier haben und am Rande des finalen Absturzes mit den Fingernägeln im Abhang graben? Völlig richtig: Sie bewerben sich für diese Stelle. Und sonst für keine. Weil es eben nur diese sein soll. Es gilt nur, die Chefs zu überzeugen und gegen X andere zu bestehen. Es gilt, ein Champion zu sein! Mit Eiern! Es gilt eine Mappe zu machen, ein Gespräch zu meistern, zu begründen, warum man den anderen Job einfach hinwarf, Kontrahenten auszustechen, eine Testaufgabe zu erledigen, einen Arbeitstag lang zu glänzen und dabei in den Spiegel sehen zu können.

Wie sagte Yoda einst in Star Wars: "Es gibt kein Versuchen!"
Im Privatfernsehen hieß das: "Tchakka! Du schafft es!"

Ich werde mich der Depression nicht beugen! Niemals! Ich knie nicht! Ich kann es nicht. Nicht, weil ich stolz bin, sondern, weil mein Hirn da nicht mitmacht.

Und so kam heute um 10:58 Uhr der Anruf. Ich habe die Stelle. Natürlich. Weil ich rocke! Und weil ich's echt verdient hab.

Und weil ich den Job wirklich wollte. Mit halbem Herz geht gar nix. Der kluge Japaner weiß es längst: Energie und Einheit, ki und ai. Der Kiai ist der Schrei, der einen Schlag bei den Kampfkünsten begleitet. Viele halten das für Stuss, liegen aber daneben. Selbst manche Kampfsportler verstehen es nicht. Man schlage vor eine Holztür. Entweder die Finger brechen oder die Tür hat ein Loch. Je nachdem was man wirklich glaubt.

Und nun darf es hier auch wieder weiter gehen.