Orte

Als ich heute im Büro einen Zusammenbruch erlitt, weil mir der Karnevalssender 1Live die Hirnmasse förmlich aus den Ohren saugt, tat ich einen mutigen Schritt. Ich stellte das Radio auf WDR5.

Die Leute sind das nicht gewohnt. Wir werden täglich derart mit Unfug zugeschissen, dass wir es längt nicht mehr merken. Der letzte Pups von Michael Jackson und andere windige Nachrichten sind wirklich von Interesse, wenn man nichts anderes mehr kennt. Und dazwischen immer ganz viel Deppengeschmalz und BMW-Musik. Man kennt nix anderes. Zugegeben: Diese Beyonce-Nummer "Halo" hätte ich niemals als gut durchdachtes Musikstück entdeckt, wenn ich nicht täglich zur Zuhörerschaft verdammt worden wäre. Es ist nicht alles schlecht, was komisch riecht. Dennoch.
Und so bekam ich natürlich erstmal empörte Blicke, wie ich denn diesen Senioren-Sender einstellen könne. Der Unterschied zwischen WDR4 und WDR5, ja es fiel sogar WDR3, ist den meisten gar nicht geläufig. Doch ich hielt stand und ignorierte das aufbrandende Genöle.

Thema der Telefon-Runde war "Lieblingsorte". Orte, an denen man Gutes tankt und Schlechtes vergisst. Und es dauerte geschätzte zwei Minuten, bis die gesammelte Mannschaft mucksmäuschenstill wurde und zuhörte. Wenige Minuten später kam das erste "was ist denn eigentlich Dein Lieblingsort?" durch die angenehme Stille gehuscht. Man tauschte sich aus. Erzählte Privates und träumte sich dabei weg. Man lernte sich kennen. Und plötzlich war's fünf Uhr. Das hätte HipHop nie geschafft!

Mein Lieblingsort, dies mal am Rande, ist der Nordseestrand bei Scheißwetter. Wer mal das dunkle Meer unter schwarzen Wolkenkolossen sah, weiß, wer er ist.