Jahresabschluss.

Onkel Säc raunte mich heute an, ich hätte noch keinen Jahresrückblick erstellt. Dem Aufruf will ich folgen. Und das geht so:

2009. Ein Jahr.

Januar.
Ich lege die selbstgewählte Armut ab und setze mich gegen zahlreiche Mitbewerber durch. Als Lohn erhalte ich eine ziemlich fantastische Anstellung unter einer unglaublich bekackten Führung. Aber irgendwas ist immer und so erfreue ich mich daran, Geld dafür zu bekommen, dass ich den ganzen Tag Sprüche klopfen und Männchen malen muss. Es geht in der Tat schlechter.
Zudem lerne ich Kollege Schildkröte und Kollegin Wutzel kennen, die später noch eine Rolle spielen wird.

Ich kaufe mir auch eine Umhängetasche, so wie die, über die ich immer lachte.

Ich lerne auf des Onkel seiner Party meinen künftigen Freundes- und Familienkreis kennen und sie mögen mich sogar.


Februar.
Ein herrenloser Tuning-BMW rauscht spontan aus einer Ausfahrt und möbliert mir mein Auto um. Frau am Steuer. Sagt man so. Ich nicht. Die Arme. Viel Dampf, Frisur kaputt, aber: halbes Auto für umsonst in Neuwagenzustand versetzt und auch noch drei Wochen nen flotten Passat unterm Arsch. Wunderbar. Dumm: die Beule, die ich selbst vorher reinfuhr, war natürlich HINTEN!

Ich entdecke die neuesten musikalischen Eskapaden von Chris Cornell und bin in den Grundfesten meiner Seele erschüttert.

Ich kaufe mir wirklich ein iPhone und schäme mich immer noch dafür. Ich kann aber wieder Tetris spielen.

Beim Teutates! Ich gewinne beim Risiko!


März.
Ich stelle Jochen Malmsheimer persönlich zur Rede. Es wird in absehbarer Zeit mangels Material kein neues Hörbuch von ihm gesprochen werden. Schlimm.


April.
Ich kaufe für unheimlich viel Geld unheimlich tolle Birnen für die Scheinwerfer meines Autos. Auf dem Parkplatz stelle ich fest, dass ich nun unheimlich teures Fernlicht erwarb. Ich schäme mich und tausche sie daher nicht um.

Meine Katze stirbt nach 18 Jahren an Materialermüdung.

Ich dachte, die Russen über mir ziehen aus und freute mich zu früh.


Mai.
Ich erwerbe für ein halbes Monatseinkommen mein neues Grafiktablett und finde das sehr schön.

Der Penner aus der Nachbarwohnung quatscht mich an und ich erleide eine Alkoholvergiftung via Atemluft. Ich habe ihn bis zum heutigen Tage nicht mehr gesehen und hoffe, er wird weggeräumt, bevor es bis zu mir stinkt.

Ich denke, die Russen über mir ziehen aus und freue mich zu früh.

Ich entdecke den Poetry Slam und bin ganz aus dem Häuschen. Ich entscheide, mitzutun. Beim nächsten Mal.


Juni.
Ich entdecke ein altes Hobby wieder: Die Karikatur. Fasse den Entschluss, meine Fähigkeiten enorm zu erweitern. Und zwar sofort. Male täglich etwa acht Stunden.


Juli.
Ich nähere mich zaghaft dem Thema "Vegetarisch leben". Stelle fest, dass mein Interesse bei Vegetariern nicht ankommt und diese mich trotzdem für einen Barbaren halten. Eruiere: Zu wenig Fleisch geht an die Ohren und macht offenbar blöd. Esse lieber weiter Fleisch.

Verliere meinen Job zur Hälfte. Halbe Stelle plus Nebenverdienst ist angesagt. Man beschäftige mich wieder voll, wenn sich ne Möglichkeit auftäte. Ich glaube nicht daran.


August.
Ich arbeite in meinem Urlaub in einer Werbeagentur. Mit QuarkXPress. Stelle fest: QuarkXPress ist wie ein Paket Butter, wenn man kein Brot hat.

Kollegin Wutzel spielt nach irrem Tammtamm und weibischem Hin und Her eine neue Rolle in meinem Dasein. Sie schläft gar hier und duscht, ohne abzuschließen. Sie ist so großartig, wie ich vermutete und kann daher bleiben.

Mein erster Nichtrauch-Versuch versandet. Ich gebe nicht auf. Es ist ein guter Plan.

Ich überlege mir eine neue Ausrede für meine Abneigung dem Alkohol gegenüber. Behaupte nun, ich sei Moslem.


September.
Irre! Die Russen ziehen tatsächlich aus! Und ich freue mich keinen Tag zu früh.

Mein Geburtstag. Ich veranstalte meine erste wirkliche Party. Dank massenhaftem Auftreten einer wunderbaren Freundesherde gelingt diese beispiellos und macht sogar mir Spaß. Selbst Schildkröte und seine Frau kommen.

Harald Schmidt ist nach Jahren wieder im Fernsehen und wird dabei nicht von quäkenden Comedyhampelwürsten bedrängt. Lothar Scholl-Latour! Wunderbar. Dr. Udo Brömme ist auch wieder da.

Onkel Säc keucht sich durch seine Schwarzgurt-Prüfung und besteht natürlich! Zazen!


Oktober.
Wutzel und ich gehen schön Tina Dico gucken. Ein wunderbares Konzert ohne viel Trallafitti, dafür mit enormer Stimmung.

Ich keuche mich noch schlimmer als Onkel Säc durch meine Grüngurt-Prüfung. Ich muss dringend fitter werden. Bin wie ein Streitross ohne Beine. Kann alles, falle aber um.

Dackelkotze und Frau entfernen sich wohnlicherweis enorm. Wünsche Ihnen viel Spaß dort, bin aber empört.

November.
Ich töte meine Urzeit-Krebse, weil ich ihnen Krebse zu essen gab. Etwas viel obendrein.


Dezember.
Wer hätte es gedacht: Meine Halbtagsstelle wird wieder in eine Vollzeitstelle umgewandelt. Frage mich, warum es dann nicht "Halbzeitstelle" heißt. Freue mich aber.

Als Belohnung dafür, dass ich ein halbes Jahr mit halbem Gehalt leben musste und trotzdem noch Kohle aufm Konto habe, räume ich dieses komplett ab und erwerbe einen neuen Fernseher samt BluRay-Player. Wutzel und ich haben viel Freude am Gerät. Sonst aber auch.

Ich entdecke die elektronische Zigarette und ihren temporären Nutzen für mich. Der Plan, das mit dem Rauchen bleiben zu lassen, steht dennoch felsenfest, wird aber niemandem mehr mitgeteilt. Man muss ja auch mal andere überraschen.

Pünktlich zum Urlaubsbeginn besorge ich mir eine Erkältung, die sich zur Bronchitis updatet.

Ich danke dem Schicksal dafür, dass ich in diesem Jahr knapp 40 Weihnachtskarten verschicken darf! Und maximal drei kommen nicht von Herzen. Toll!

Ich will neue Hosen kaufen und entdecke, warum die alten nicht mehr zu gehen: Muss 32 kaufen. Erschütternd. Vom ganzen Sport so viele Bauchmuskeln.

Himmel, Arsch und Zwirn! Ich gewinne gegen acht Leute beim Pokern!

Bin wieder bei meiner Lieblings-Werbeagentur zur Weihnachtsfeier geladen. Möchte den Kollegen- und Chefkreis ausgiebig küssen und trauere ein bisschen, weil ich sehe, wie vorbildlich Chefs sein können, wenn sie in ihrer Kindheit liebgehabt worden sind.

Meine Weihnachts-Depression winkt wieder mit beiden Händen. Muss mal wieder einen Arzt konsultieren.

Schenke Wutzel ein selbstgesprochenes Hörbuch und entdecke ein neues potentielles Hobby.

Erweitere meinen FullHD-Fernseher spontan mit einer XBox von Mutters Weihnachtsgeld. Wutzel ist Robin, ich Batman. Wir erleben viele Abenteuer, fahren aber auch Rennen. Essen dabei sehr viel Popcorn.

Kann das Geschenk von Wutzel nicht ausprobieren. Eine Lochblende für die Kamera. Digitale Lochblendenkamera! Irre! Draußen Schweißwetter. Nichtmal Schnee und Eis. Muss warten.




Ende.
Auf ins nächste Jahr, aber das kommt ja eh. Morgen ist nochmal Pokern. Ich nehme mir wieder vor, den Sieg davon zu tragen. Das wäre ein guter Abschluss.