Tina Dico, Konzerthaus Dortmund

Wenn ich nicht von einem Design-Kurs der FH Dortmund gehört hätte, für den ein Besuch des Dico-Auftritts obligatorisch sei, hätte ich auch dieses Event verpasst. Grad noch mal Glück gehabt!

Im vergangenen Jahr sah ich Tina Dico im "Bahnhof" in Bochum-Langendreer und war schwer beeindruckt. Mit Dennis Ahlgren und Helgi Jonsson im Koffer gab's ordentlich Alarm auf der Bühne. Zudem ist die Location sehr übersichtlich und intim, und ich saß zudem noch so nah an der Bühne, dass ich ihr die Schuhe hätte wienern können. Dass diese Intimität im Konzerthaus Dortmund ein wenig flöten geht, war abzusehen – Parkett und Empore fassen 1500 Leute. Ich stand mal selbst bei vollem Haus auf der Bühne und war beeindruckt. Ähnlich wie Fräulein Dico heute, die wohl hierzulande immer noch eher die kleine Schiene fährt. Das Trio wurde erweitert durch eine am Schlagzeug und Gesang, deren Name ich nicht verstand.

Das Dortmunder Publikum war ebenfalls ein etwas anderes als das im "schmuddeligen" Bahnhof. Man geht halt ins Konzerthaus. Da pupst man nicht. Ich wurde gar von einem Ordner darauf hingewiesen, dass ich meinen Fuß nicht auf der Halterung der Bestuhlung ablegen dürfe. Von der Aufnahme von Getränken brauchen wir nicht reden. Dennoch ist auch das verstockte Elite-Kultur-Publikum nicht fähig, ne halbe Stunde still zu sitzen und muss dauernd pinkeln, was immer ne gesamte Stuhlreihe zur La Ola zwingt.

Das Vorprogramm bestritt wie üblich Helgi Jonsson solitär. Ich würde für den Typ alleine das Geld hinlegen. Was ein Clown. Sein gewöhnungsbedürftiges Gesangs-Intro (eigentlich eher Geplärr-Intro) irritierte seinerzeit die Bochumer. Die Dortmunder fingen an zu lachen und manch einer fragte nach der versteckten Kamera. Jaja ... Kulturfreunde unter sich. Müssen immer alles erklärt kriegen, bevor sie es akzeptieren. Jonsson ficht das wohl nicht und er gab nach wie vor den Englisch-Sprachigen, bis er ohne Überleitung in feinsten Wiener Schmäh verfiel und kurz darauf erklärte, dass er in Österreich studiert habe. Das ist auch noch lustig, wenn man es schon mal gesehen hat. Als sein Set nach ner knappen halben Stunde endete, war die Meute auf seiner Seite. Ein unglaublicher Musiker fernab jeglichen Anflugs von Star-Allüren und eigentlich völlig unscheinbar. Zwischendurch immer wieder blöde Scherze, die einem vorführen, wie herrlich wenig er sich ernst nimmt. Der Ton macht die Musik, die mich hin und wieder an Sigur Ros erinnert, wobei Jonsson für die dichte Atmosphäre keinerlei Effekte benötigt. Klavier, Posaune, Gitarre und eine Stimme wie der Wind in Skandinavien!

Tatsächlich braucht ein schwergewichtiges Publikum nach ner halben Stunde Musik erstmal eine Pause. Bis alle raus sind, ihr gepflegtes Elite-Bier für 10 Euro verklappt haben und wieder ihre Plätze finden, geht schon mal ne gute halbe Stunde um. Und das dafür, dass nichtmal umgebaut werden musste.

Die erste Hälfte des regulären Sets von Dico war ich etwas angespannt, weil das Publikum doch recht verhalten unterwegs war. Beifall muss sein. Aber dann ist auch gut. Ich erinnere mich wieder an ein anderes Konzert, bei dem mitgesungen wurde. Die Atmosphäre schlug aber irgendwann um und zur zweiten Zugabe standen restlos alle. In der Tat war es beeindruckend, alle auf den Füßen zu erleben, während Tina "Magic" spielte. Sehr kontrastreich zu dem sehr intimen Song.

Apropos "intim" ... zu oft sollte man sich das Gebotene nicht geben. Die zartbesaitete Dame ist eine gute Schauspielerin, die ihre aufrichtigen Songs gut vertritt. Man glaubt ihr, wenn sie ein paar Sekunden in sich geht, nachdem sie Sachen wie "Room with a View" spielte und von verflossenen Liebsten sang, bevor sie sich wieder ums Publikum kümmert. Allerdings ist genau das das Problem: man weiß, dass sie natürlich nicht immer so empfindet. Und ein bisschen belogen werden will man ja auch für sein Geld.

Die Setlist passte sich grob an die neue Platte an. Ein paar ältere Hits und ein paar neue Songs, die vielleicht mal auf die Favoriten-Listen kommen. Live ist das ne gute Sache. Das Album nehm ich ihr allerdings übel. Ein Doppel-Album mit leicht umgestrickten Altsongs damit zu verkaufen, dass auch ein paar neue drauf sind ... ich weiß nicht. Die Band war aufeinander eingespielt, aber nicht so klinisch sauber wie Porcupine Tree am Abend zuvor. Ok, ein schlimmer Vergleich. Dicos Band spielt offen und "roh", aber immer präzise. Die Klasse jedes Einzelnen ist über jegliche Zweifel erhaben und wurde nur von der Klasse der Akustik im Konzerthaus übertroffen.

Und wenn's zu düster und gedankenschwer wurde, stand immer Jonsson parat, um mal unpassend aber exakt intoniert ins Mikro zu pröten. Einer wie der kann sich das locker kichernd leisten.

Dennoch fand ich das Konzert im kleinen Kreis gehaltvoller.



Der Jens war indes wieder nicht zugegen.

Porcupine Tree, RuhrCongress Bochum

Zunächst: Ohne Goldis Hinweis wäre uns das Konzert entgangen. Dem Veranstalter ist es gelungen, die Reklame für dieses wirklich nicht uninteressante Event komplett unter den Tisch fallen zu lassen. Glatte sechs. Arschlecken, setzen. Immerhin haben sie es aber geschafft, pünktlich um 19 Uhr die Tür aufzuschließen. Mich würde interessieren, wie viele Karten noch übrig waren, denn am Rand des Saals hätte man während des Konzerts noch super Fahrrad fahren können.

Oceansize sollten die Vorband geben, erfuhr ich vor der Halle. Gespannt war ich durchaus, was nach der 2003er "Effloresce" so passiert ist. Die Scheibe hab ich seinerzeit ungefähr 50 Mal laufen lassen und später immer wieder mal; aber verdammt, sie hat nix, was hängen bleibt und pötert so vor sich hin. Nach all den Jahren muss ja was passiert sein.
Wir konnten es leider nicht hören. Denn wir standen in der ersten Reihe. Diese lautstarke Tatsache, gepaart mit dem seit jeher betonierten Gesetz, dass Vorbands grundsätzlich bekackt gemixt werden müssen, damit der Haupt-Act sich gar nicht mehr mühen muss, besser zu klingen, ergaben eine nagelneue Fönfrisur und keinerlei neue Erkenntnisse. Dass ich mir ihre aktuelle CD am Merchandise-Stand zulege, schied also mangels verwertbarer Hörprobe aus. Ich glaube weiterhin, dass Oceansize die harte Version von Coldplay sind: nette Songs, bei denen immer dann, wenn man den Höhepunkt erwartet, wieder nix kommt. Da man Musik durchaus mit Sex vergleichen kann, versteht wohl jeder, dass man sich irgendwann genervt abwendet. Und so war es uns eine Freude, die Ansage vom letzten Song zu hören. Das einzig Faszinierende an Oceansize war an diesem Abend, dass der Trommler keine Becken, Stöcke oder Felle zerlegte, sondern seinen Hocker. Ich bin sicher, dass ich so etwas nie wieder sehen werde. Ähnlich faszinierend ist obendrein die Professionalität der Leute drumrum. Wenn binnen 5 Sekunden ein neuer Hocker parat steht, der nicht vom Schlagzeug der Hauptband geklaut wird, dann ist das schon beeindruckend. Ich entschied danach, mir doch die CD zu kaufen, weil mir eine Passage kurzfristig gefiel und ich das Ganze mal mit ordentlichem Sound hören wollte.

Es folgten Umbauarbeiten, die ich so nicht kannte. Da Steven Wilson grundsätzlich mit barem Fuß spielt, lag es nahe, aber wer vermutet schon, dass da gleich einer auf die Bühne kommt und Staub saugt? Auf den drei Leinwänden liefen derweil filmische Dokumente früherer Staubsaugungen, was für allgemeine Erheiterung sorgte.

Die ersten Akkorde von Porcupine Tree belegten es: es war doch ein kundiger Tonmann mit seinem Mischpult im Hause. Obwohl ich immer noch vor dem Bass-Fön stand, war der Sound klar wie Kloßbrühe. Nachdem sich aber mehrfach die Augenlider meiner Frau umklappten, entschieden wir uns später für einen Platz weiter hinten – nicht ganz so nah bei den Boxen. Und, leck mich am Arsch, klang das gut! Man fühlt sich weiter hinten auch nicht so genötigt, immerzu begeistert zu gucken.

Schade, dass ich die eigentliche Incident-Tour verpasst hatte. Das Konzept-Album auseinanderzudröseln schien mir nicht praktikabel, aber die Ansicht teilten die Musiker leider nicht, weshalb nur etwa die Hälfte der aktuellen Songs vorgetragen wurde. Gespielt wurde ein verwuselter Mix von Stupid Dream, Deadwing, Fear of a Blank Planet und Incident, wobei es an sich nicht viele Songs waren, wenn man bedenkt, dass ein Stück schon mal 12 Minuten haben konnte. Trains fiel gottlob völlig aus. Ich kann's nicht mehr hören. Und der ziemlich gut gelaunte Wilson wohl auch nicht, denn die Anfrage darauf wurde mit einem "oh, not trains again!" quittert. Mir war's im Prinzip gleich, was sie spielten, solange ich teilhaben durfte. Gavin Harrison muss als Kind in ein Uhrwerk gefallen sein. Anders kann ich mir dieses Trommeln nicht erklären. Man muss das einfach mal gesehen haben. Wahnwitz, der niemals nervt und sich schön unterordnet. Bassmann Colin Edwin ist von ähnlicher Machart ... kommt auf die Bühne mit dem gleichen Lächeln, mit der er sie verlässt und guckt nicht einmal nach links oder rechts. Der spielt den kompliziertesten Kram runter wie ein Drei-Teile-Puzzle und scheint dabei über seinen nächsten Urlaub nachzudenken. Meine Vermutung war hier, dass man ihn einfach aufs Klo nebenan tragen könnte, ohne dass er's wirklich wahrnimmt. Er wäre immer noch 100% dabei und man würde keinen Unterschied wahrnehmen, solange man ihm das Kabel dran lässt.

Kurzum: Porcupine Tree sind immer ne Reise wert. Und sei sie noch so kurz. Ich hab bereits Aufregungs-Urin gelassen, als Wilson neue Songs ankündigte.

Verwundert hat mich indes nur, dass Wilson von Bochum als "beautiful city" sprach. Vielleicht muss ich das seiner heutigen Scherzkeksigkeit zurechnen. Weiß nicht, wo der war.

Wo der Jens war, weiß ich auch nicht. Komisch.

Lautsprecher boxen. EIne kleine Empfehlung.

Derzeit habe ich Glück mit den Fachverkäufern in Elektromärkten. So geriet ich vorgestern bei meiner Lautsprechersuche im Bochumer MediaMarkt an einen kundigen Mann mit feinem Ohr, der mich ungeachtet der vielen anderen Kunden ausgiebig beriet und alles aufbaute und anschloss, wonach mir der Sinn stand.
Nachdem ich mir kürzlich den Canton Chrono Subwoofer zulegte, um mehr Wumms in die Hütte zu kriegen, wurde mir immer klarer, dass die CLATronic-Lautsprecher für seinerzeit bestimmt 20 Mark (haben mir meine Eltern mal vor 20 Jahren gekauft, glaube ich) eigentlich nur als Schuhkartons verwendbar sind. Also war mal ein Update fällig.
Den Hinweis des Verkäufers, dass er sich ja privat für jede Musikrichtung ein anderes Lautsprecherpaar hinstellt, nahm ich lächelnd entgegen, verwarf diese Möglichkeit allerdings für mich und mein Girokonto.
Letztendlich empfahl er mir für meine Wohnzimmergröße und die vorliegende Anlage ein Paar Canton LS 205, die selbst in der offenen Vorführecke noch ein schlumpfiges Klangbild zauberten. Nachdem ich noch diverse andere Würfel testete, entschied ich mich für die 205er. Der Knüller: das Paar für 199 Euro. Bei Amazon übrigens für 399.

Zuhause neue Kabel verlegt, die Dinger angetüddelt und die Ohren aufgestellt. Die Teile sind unglaublich. Diese Erfahrung deckt sich mit denen in einschlägigen Foren. Obwohl noch gar nicht eingespielt (20 Stunden sollte man ihnen gönnen), zeigten mir die recht kleinen Dinger, was eigentlich auf meinen CDs drauf ist. Peter Gabriel, Porcupine Tree, Tool, Opeth, Pink Floyd, Marilyn Manson und Chopin ließ ich kreisen und hätte jeweils die ganze CD durchhören können, weil es so geil klingt. Beachtlich ist neben der Klarheit auch die räumliche Tiefe, die die Dinger entwickeln. Grade Freunde von Gitarren dürften diverse Erektionen beim Lauschen bekommen. Porcupine Trees "Time Flies" oder akkustische Nummern von Opeth stehen derart im Raum, dass man an den Saiten zupfen möchte. Den Subwoofer hab ich direkt mal abgestellt und auch nicht vermisst; für ne ordentliche Zusammenarbeit werde ich da wohl noch ein bisschen Zeit investieren müssen.

Wer also töfte Boxen haben will und nicht viel Geld zur Verfügung hat, sollte mal ein Ohr drauf werfen. 200 Euro für ein Paar in der Klasse sind kompletter Irrsinn.
Wer ältere umsonst haben möchte, kann sie sich bei mir abholen.