Süß und saftig – eine Mark und Achtzig

Eigentlich wissen wir es alle: Was wir am Leib tragen, wird von Arbeitsbienen entworfen und von Sklaven geschneidert. Und beim täglich Brot sieht es nicht anders aus. Ich bin einer, der niemals einen dieser Back-Stores betreten würde, auch wenn das Brötchen bei der holden Bäckerin irgendwann fünf Euro kosten wird. Aber das rettet meine Seele auch nicht.

Ein Bericht auf WDR5 über die Unsitten der Textilkette kik und dessen Nachruf eines Freundes bewegen mich zum öffentlichen Nachdenken. Und natürlich meine Familie, die nicht müde wird, zu behaupten, dass alles einfach zu teuer sei und deshalb Lidl und kik die einzige Wahl seien. Das ist, zumindest im Fall der Bekleidung nicht nur ein ästhetisches Desaster. Und meine Familie ist beileibe kein Einzelfall. Einmal wöchentlich wird dort laut ausgesprochen: "Das bei Aldi sind alles Markenprodukte! Die dürfen da nur was anderes draufschreiben und deshalb wird's billiger!" Und niemand merkt, was er da spricht.

Prinzipiell ist es immer das Gleiche: Wir wollen nix zahlen! Weil wir ja selbst nix haben. Und die Lösung ist simpel, denn es gibt immer welche, die noch weniger haben. Also noch. Und solange es die gibt, wird es auch überall Läden geben, die uns suggerieren, dass es Shirts oder Schnitzel für unter 10 Cent geben kann. Solange es Nutztiere und Untermenschen gibt, kann uns nix passieren. BSE, antibiotikageschwängertes Fleisch, Mitarbeiterüberwachungen, Kinderarbeit und Hungerlöhne sind allesamt Taten schlimmer Menschen, und wir danken den fleißigen Medien für die Aufdeckung der Missstände. Solange wir uns genügend aufklären lassen, merken wir nicht, dass wir es selbst sind, die den Kühen den eigenen Eiter zu fressen geben, damit der stündliche Bedarf an Fleisch gestillt wird. Und solange wir uns genügend über die Arbeitsbedingungen in Auschwitz, nein, Fehler, sorry, Bangladesch aufregen und uns rund um die Uhr als Gutmenschen verstehen, merken wir auch nicht, warum manches so billig ist.
Denn wir lassen uns nicht verarschen! Es geht schließlich um unser Geld. Geld. Geld.

Dem Spiegel zufolge sind 50 bis 60 Prozent unserer Arbeitsfehltage dem Stress zuzuschreiben. 54000 Menschen in Deutschland sind wegen eines arbeitsbedingten Dachschadens früher in die Rente gekrochen. Rente? Fehltage? Muahahahaha! Wer in Kambodscha mit dem Kopf in eine Maschine gerät, muss sein Hirn selbst aufwischen. Das ist auch gut so, denn sonst müsste der Preis für die Putzfrau auf unser Shirt aufgeschlagen werden, womit wir dann schon bei 10,00001 Cent wären. Und die Fußfesseln gibt es auch nicht umsonst. Sowas summiert sich ganz schnell. Obwohl Denken auch nichts kostet, vermeiden wir es und lesen Reklamebeilagen. Und dann gehen wir zu kik und finden nix dabei. Wir jammern höchstens mal an der gebotenen Qualität. Wir im Westen haben andere Standards. Allerdings nur, weil es bei uns noch nicht wieder erlaubt ist, Kinder in 24-Stunden-Schichten knorke Schuhe kleben zu lassen. Die Banken arbeiten aber weltweit dran.

Zehn kleine Negerlein, die stricken mir ne Hos. Und wenn die auseinanderfällt, dann bin ich arg erbost.

Wenn die heiligen drei Könige bald ihre Goldkettchen, iPhones und Flachstbildschirme im Stroh neben der Krippe deponiert haben und noch ein wenig Kleingeld für die Gewissensspende bei irgendeinem Weltretter ums Eck abwarfen, begehen sie die Stille Nacht im Schein der Glückseligkeit. Nur dort aus dem Osten röhrt es noch sehr störend aus den rostigen Nähmaschinen in die stille, heilige Nacht. Und der Herr möge uns schützen vor dem Wohnungsbrand, wenn unsere pakistanischen Plastikkerzen den PVC-Baum in Brand setzen.

Die Frage, die sich mir jedoch stellt: Wo kann ich denn überhaupt noch was kaufen? Ist der Bio-Freak um die Ecke doch der, der am Ende lachen darf? Er sieht furchtbar aus.
Bei Kik, Aldi, Lidl, C&A, Karstadt, Otto und Tchibo kauf ich schonmal nicht. Und es gibt auch keine sportlichen Klamotten von Puma, Asics, Fila, Lotto, Umbro oder Nike. Aber beim Sport trag ich eh nur DanRho aus ... Moment ... wo kommt das Zeug eigentlich her?


Die Seite der Kampagne für Saubere Kleidung gibt es hier.

1 Response to "Süß und saftig – eine Mark und Achtzig"

  1. A. Says:

    Anderes, aber irgendwie ähnliches Thema.

    http://www.we-feed-the-world.at/

    Angucken!