Das Gerät

Es ist schon einige Jahre her, dass ich einen Monitor sah, auf dem man malen konnte. Das Ding hieß Wacom Cintiq, galt als der Oberhammer und kostete entsprechend. Es sollte mir fortan im Kopf kleben und als das Maß aller Träume gelten. Unerreichbar vom Preisniveau, irgendwo bei 6000 Mark, meine ich. Obendrein war mir klar, dass das für mich ein dolles Spielzeug wäre und nicht mehr.

Für den Laien sei erklärt: Es geht hier um Grafiktabletts. Das sind nicht die Dinger, die der Maler in der Hand hält, um seine Farben drauf zu mischen, wenngleich sie eigentlich schon sowas sind. Nur viel teurer, weshalb man nicht mit Öl darauf malen sollte. Das Grafiktablett als solches ermöglicht es zunächst, den beiliegenden Stift anstatt einer Maus zu benutzen. Das tut dem Arm gut. Der Stift ist mitunter aber auch so weit ausgereift, dass er den Druck erkennt, den ich mit ihm ausübe. Ja, sogar den Winkel, in dem ich ihn führe. Es gibt ein paar Hersteller solcher Tabletts; für mich und meine Zwecke ist die Firma Wacom die einzig ernst zu nehmende. Dies als Einführung.

Ich muss ungefähr 10 Jahre alt gewesen sein (das dürfte dann 24 Jahre her sein), als meine Mutter verzweifelt versuchte, ein Malprogramm für den Commodore C64, meinen ersten Computer, zu bestellen. Ich sehe sie noch vor mir, wie sie Telefonbücher wälzt und den dicken grünen Hörer hält. Ich hab nie eins bekommen. Doch heute ist ja alles besser.

Als ich 2004 mein erstes Grafiktablett auf dem Tisch liegen hatte, war ich erstmal verblüfft ob der Möglichkeiten, hab sie aber kaum genutzt. Rumpinseln in Photoshop. Mehr schlecht als recht, und selbst wenn mal was bei rauskam, sah es ziemlich nach Computergrafik aus. Das Ding war ein Wacom Graphire 2, mit klarer Plastikfläche, die nach drei Tagen glatt wie ein Spiegel war, sich nicht tauschen ließ und nicht so wirklich ein Gefühl von irgendwas aufkommen ließ. Der Stift war ein klappriges Plastikteil und wirkte wie ausm Spielzeugladen. Das hatte alles so gar nichts mit klassischem Zeichnen oder Malen zu tun wie ich es mal gelernt hatte. Für Bildretuschen eignete sich das Ding aber ziemlich gut. Nur sind die nicht so mein Hobby.

Als ich dann aber doch merkte, wie viel Spaß es machen kann, auf dem Computer zu pinseln, sollte es nach zwei Jahren mal was Besseres sein. Ein Intuos3 war seinerzeit state of the art und in der Größe A4 schon nah dran an der Grenze meiner finanziellen studentischen Möglichkeiten. Aber hey, keine Krümmel mehr vom Radieren, keine sauigen Finger und - man muss es zugeben: eine Rückgängig-Funktion ist nunmal was Feines. Da kam der riesige Zeichenblock nicht mit, wegen dem ich mal mit tauben Beinen beim Arzt saß, weil ich mir ne Nacht lang kniend auf dem Fußboden die Durchblutung gestoppt hatte. Jaja, so geht Einsatz.

2009 erschien die Intuos4 Serie. Mit den 2048 Druckstufen und einem Touchring hatten sie mich. Und als ich sah, dass die Tastenbelegung nun per OLED neben den Tasten aufleuchtet, bestellte ich umgehend. Die Oberflächen fühlten sich nun rauer und etwas echter an, hatten nur den Nachteil, die völlig überteuerten Stiftspitzen in zwei Wochen runterzunudeln. Dafür hab ich jetzt für die nächsten zwei Jahre welche hier. Ein immenser Vorteil der Intuos4 Serie war überdies die nicht mehr spiegelglatte Plastikoberfläche des ganzen Teils. Schwitzige Finger pappten auf der raueren Oberfläche nicht so.
Dennoch fand auch ich den ultimativen Handschuh für die digitale Malerei: den smudgeguard. Ein Handschuh nur für den kleinen Finger und den Ringfinger sowie die Unterseite der Hand. Aus alter Fahrradhose, glaube ich. Für unfassbare 15 EURO kaufte ich das Teil und befand, dass es doch mehr schafft als der zersäbelte Baumwollhandschuh vom Bäcker. Das Intuos4 in A4 kostete damals 500 Euro und ich kratzte wirklich das letzte bisschen Geld zusammen und versuchte, nicht auf die Stimmen der Vernunft zu hören. Nun ... das Geld hab ich nie vermisst - das Tablett wollte ich bis heute nicht mehr hergeben. Immer noch nicht.

Denn nun ist es soweit. Einige Jahre hab ich's mir überlegt, im letzten Jahr hab ich konkret drüber nachgedacht, wie ich das immer noch 2000 Euro teure Teil namens Cintiq21UX auf meinen Tisch kriege.
Für den Laien sei es nochmal gesagt: Das Cintiq ist ein Monitor, in dem auch gleich ein Tablett vertüddelt ist, so dass man quasi auf dem Monitor malt.

Man sollte sich im klaren darüber sein: Mit nem teuren Hammer hämmert man die gleichen Nägel. Wenn ich Bleistiftzeichnungen mache, ist mir auch wurst, ob der Stift von FaberCastell oder von Ikea ist, solange er meinen Belangen nachkommt. Ich hab in meinem (Design-)Studium allerhand teure Farben, Pinsel und Stifte gekauft und immer recht schnell feststellen müssen, dass ein guter Zeichner auch mit billiger Wasserfarbe und nem ollen Spülschwamm bessere Bilder macht als ein Noob mit nen Mega-Set teurer Copic-Marker. (Mein Schwammbild wurde übrigens in der FH ausgestellt.) Es ist die Frage nach dem Nutzen, und da muss man echt versuchen, die Gier nach diesem oder jenen geilen Teil ehrlich abzuwägen. Im Büro arbeite ich immer noch mit nem Intuos3 und komme klar, auch wenn's etwas umständlicher ist.

Also versuchte ich, mir den Nutzen auszureden, indem ich mir nen Laden suchte, wo ich das Gerät mal testen konnte. Und das war nicht einfach. In Düsseldorf fand ich irgendwann den ungewöhnlichen aber empfehlenswerten 3DPowerstore und verbrachte dort etwa 1,5 Stunden in völliger Ruhe damit, mir dieses Ding schlecht zu reden. Leider fand ich keine Nachteile und der Plan ging nicht auf. Ganz im Gegenteil. Aber es gab eh grad keine dieser Geräte zu kaufen, da der Hersteller in Japan grad mit den Auswirkungen der Unwetterkatastrophe zu kämpfen hatte und die Bildschirme noch am Strand lagen. Als die Geräte wieder auftauchten, hatten sie seltsamerweise ein Update erfahren und brachten einige Verbesserungen mit. Glück gehabt.

Glück war es auch, als man mir 1300 Euro für mein altes Auto gab, das immer noch auf dem Hof stand und aufgrund des Glücks, einen Dienstwagen bekommen zu haben, nicht mehr benötigt wurde. Glück auch, dass ich einen nicht unerheblichen Zuschlag auf mein Gehalt gen Weihnachten erwarten darf. Und wenn einem so viel Gutes widerfährt, dann ist das einen Asbach Uralt wert. Da ich einen solchen nie trinken würde, bestellte ich das Cintiq. In der Hoffnung, dass ich mich freue, wenn es eintrifft und ich nicht ans Geld denke. Ich kann heute sagen: Ich jubilierte.

Ich hab's mir natürlich ins Büro liefern lassen. Wie schlimm das wär, abends nen Zettel zu finden, mit dem Inhalt, dass man es erst morgen holen könne. Einem Hund gleich erkannte ich das Tuckern des UPS-Wagens inmitten des Bürolärms, stürmte raus und umkreiste den Wagen, aus dem es alsbald unsanft befreit wurde, wie jedes andere Paket auf dem "zerbrechlich" steht. Wieder am Schreibtisch wollte ich nur sehen, ob Transportschäden vorlagen, während mich zwei seibelnde Kollegen beobachteten. Ich hatte das Ding ja schon getestet, aber dass MEINS auch so irre groß war! Hurraa! Mich beschlich nicht nur das Gefühl von Glück, nein, ich wusste auch, dass ich's mir echt verdient hatte. Herz-Hobbies kosten Geld. Das ist nicht wie ne Armbanduhr oder ein Fernseher. Und so packte ich es wieder ein und es wartete den restlichen langen Tag auf einem Karren vor meiner Nase. Schlimm. Ich habe an dem Tag zwei Anrufe von Druckereien bekommen, die die von mir erstellten Druckdaten bemängelten. Ich muss sowas gottlob selten machen, aber wenn man mir mit sowas an einem solchen Tag kommt, da kann man ja wohl mal Nachsicht walten lassen!

Zuhause wurde erst mal Staub geputzt und der Tisch eingerichtet. Und es wurde ERST das HANDBUCH komplett gelesen!



Und nun kommen wir zu dem Teil, auf den Interessierte schon völlig entnervt warten. Das ist mein Blog! Ich darf hier schwafeln wie ich will!

Das Wacom Cintiq21UX. Das Gerät.

Ich habe das Ding jetzt etwa drei Wochen hier stehen, bzw. liegen.
Eine meiner größten Sorgen war das Panel. Ich hab mir seinerzeit nach dem Diplom mal für vergleichsweise viel Geld einen EizoS2100-Bildschirm gegönnt, da der Schirm meines iMacs eigentlich nix taugt. Also gar nix. Im Sinne von überhaupt gar nix. Der Eizo steht bei prad.de immer noch in der Hitliste für Grafik und kann was. Ich bin also fast davon ausgegangen, dass das Panel des Cintiq ein Rückschritt wird. Fehlanzeige. Scharf wie Schilli bis in die Ecken und eine verdammt homogene Ausleuchtung, die selbst den Eizo schlägt. Allein der Farbraum ist beim Cintiq nicht so groß ... gemessen ... ganz ehrlich ... ich merk davon nix. Das Cintiq kommt mit Farbprofilen, die schon mal vom Start weg gut aussehen. Da ich aber nix glaube, hab ich nochmal mit dem Spyper3Pro die Farben gemessen und ein neues Profil erstellt. Siehe da: Ein bisschen grünlich gewesen. Ein bisschen sehr. Nun isser ein bisschen rötlich. Ein bisschen sehr. Nicht ganz einfach. Nachdem ich das Raumlicht etwas runtergedreht habe, sah die nächste Messung aber ziemlich gut aus. Und mit der leb ich gern.

Der Ständer ist enorm schwer und macht nen stabilen Eindruck. Ich kann mich locker auf dem Bildschirm abstützen und malen, ohne dass es sich auch nur minimal bewegt. Mit Hebeln auf der Rückseite kann man das Cintiq nahezu flach legen oder in normale Monitorposition heben. Fast. Und da liegt ein dicker Knackpunkt. Denn ganz vertikal kann das Cintiq nicht aufgerichtet werden. Das ist sicherlich sinnvoll, da das Konstrukt irgendwann instabil wird, reicht aber nunmal nicht. Beim ganz neuen Cintiq24HD ist das schlauer gelöst, was das 24er aber für mich immer noch nicht attraktiver macht, da dieses nicht drehbar ist. Drehbar? Korrekt. Das 21UX lässt sich frei in jede Richtung drehen, was auch genau das ist, was ich mit einem Blatt Papier tun würde, wenn ich zeichne. Eine enorme Hilfe. Ein weiteres Manko des 21UX ist die Höhe, wenn es liegt. Denn es liegt auf dem Ständer und ist demnach auf einem normalen Schreibtisch einfach zu hoch, um es gemütlich nutzen zu können. Ganz flach würde ich es allerdings auch eh nicht legen.
Für die genannten Nachteile des Ständers habe ich allerdings auch schon eine prima Lösung gefunden: den Ergotron LX, einen Monitorarm, mit dessen Hilfe ich auch das 11 Kilo schwere Cintiq in nahezu JEDER möglichen Position nutzen kann. Also auch über den Tisch hinaus. Ich könnt gar im Stehen schackern. Das Ding kostet wesentlich weniger als man denkt und für 120 Euro erwirbt man die absolute Freiheit. Und die paar Mark machen dann in der Relation auch nix mehr. Hier geht's ja eigentlich um Grafiktabletts, aber den Ergotron-Halter empfehle ich wahrhaft jedem, der sich was für den Rücken gönnen will. Egal für welchen Bildschirm. Auf Youtube gibt es da so allerhand zu entdecken.

Das Bild ist also top. Und ich komm an alles ran. Was ist mit dem Rest?

Die Bedienung ist bekannt. Selbst die Treibersoftware ist dieselbe. Aber irgendwie ist doch alles anders. Früher malte ich auf dem Tisch, während das, was ich tat, auf dem Bildschirm, also ganz woanders passierte. Man gewöhnt sich dran. Aber nie so richtig. Zumindest ich nicht. Beim Cintiq ist man dabei, mittendrin, dran ... wie auch immer. Man arbeitet wirklich da, wo man den Stift hinsetzt und nicht nur virtuell. Und das ist scheißgeil. Lockere Geraden aus dem Arm, Kreise und all diese Dinge wollten mir auf dem normalen Tablett nie wirklich gelingen. Jetzt geht's. Mittlerweile ist auch so ziemlich jedes Programm, mit dem gemalt werden kann, in der Lage, die Arbeitsfläche virtuell zu verdrehen, um sich nicht selbst verdrehen zu müssen. Aber das verlangt immer einen Knopfdruck und derlei und geht obendrein auf die Rechenkapazität. Echt anfühlen tut es sich auch nicht. Auch das ist nun Geschichte. Ich dreh das Cintiq. Am Ergotron montiert sogar um 360 Grad, wobei man das dem Kabel nicht antun sollte.

Die Tabletts sind über die Jahre immer empfindlicher geworden. Mittlerweile sind wir bei einem minimalen Druck von unter einem Gramm, bei der der Stift seicht seinen Dienst beginnt. Bis zum vollen Druck, bei dem man gern voll zulangen kann, hat man 2048 Druckstufen, die einem wirklich erlauben, realistisch zu arbeiten.
Wirklich köstlich finde ich auch die neuen Touch-Strips, die sich nun HINTER dem Tablett befinden. Nämlich da, wo man die Finger hat, während der Daumen hübsch die Tasten auf der Vorderseite bedient. Ich habe tatsächlich von meiner seit Jahren angewöhnten Tastenbelegung Abschied genommen und komme mit dem neuen Konzept sehr viel besser klar. Mit je 8 Tasten auf jeder Seite hat man auch genügend Möglichkeiten. Zum Beispiel die, dass ich nun endlich den dicken Ersatzgriff für den Stift nutze, der den Nachteil hat, die zwei Tasten des Stiftes zu verdecken. Diese Funktionen (vornehmlich den Rechtsklick) habe ich nun auf dem Tablett und die Hand krampft mit dem "neuen" dicken Stift nicht mehr so.

Nachdem ich vergangenes Wochenende fast einen Geburtstag vergessen hatte, zu dem ich ein Portrait schenken wollte, war ich in schwerer Eile. Ich hatte noch 3,5 Stunden für das ganze Bild, damit ichs noch in die Stadt zum Drucken schaffe. Und voila ... es ging. Ok, nicht so detailverliebt, aber dieses Gefühl von Direktheit und Echtheit bringt scheinbar richtig Schwung. Das war das erste Bild, was ich von vorn bis hinten am Cintiq gemalt hatte.
Bei meinem momentanen Immer-mal-wieder-Projekt, dem Papst, machte ich die Entdeckung, dass ich mich sehr schnell in Details verrenne, wenn ich wie auf nem wirklichen Papier mit der Nase am Geschehen scheuere und Erbsen zähle. Beim Auszoomen erschrak ich etwas über die Detailfülle, die ich jetzt auch noch über den Rest des Bildes verteilen muss, damit's nicht komisch aussieht. Es ist also ein völlig anderes Arbeiten. Und es ist großartig.

Wie vor ein paar Jahren mit dem Intuos4 hab ich wieder viel zu tief ins Konto gegriffen, aber es ist jetzt schon klar, dass ich das wieder nicht eine Minute der nächsten Jahre bereuen werde. Drauf geschissen. Muss ja auch mal Spaß machen so ein Leben.

Und da ich an geeigneter Stelle die Werbetrommel trommelte, hält in den nächsten drei Wochen so ein Teilchen auch Einzug in mein Büro. Ach wie hübsch.







1 Response to "Das Gerät"

  1. Mailvaltar Says:

    Wie schon gesagt, Glückwunsch! Hast es Dir verdient. :-)