Top 13!

Wie jeden Morgen schaute ich heute vor Arbeitsanbruch das tägliche Weltgeschehen durch. Mit panikdichtem Weltuntergangsanzug und Kamillen-Tee bewährt. Übrigens, wenn ich mal grade abschweifen darf: Kamillen-Tee ist ein gar köstliches Getränk und nicht nur schnöder Badewasserzusatz bei Analabszessen. Man tut ihm Unrecht. Er wirkt außen wie innen wunderbar und ist nicht für den Arsch. Doch zurück zum Eigentlichen.

Nach Spiegel-Online gehts zum Abkühlen immer zur Bildzeitung. Abkühlen deshalb, weil man sich locker drei, vier Brote schmieren kann, bis die Startseite geladen ist, da Bild sich immer prima Werbepartner sucht, deren Stuss das Laden der Seite prima zu verhindern weiß. Ich stoppte heute drei Minuten. Bis die Menuleiste kam.

Doch einmal angekommen, wurde ich der 100 besten Sänger der Welt gewahr, die der Rolling Stone sich offenbar leicht angetrunken so zusammengegrübelt hat. Zunächst: die "besten" Sänger sind wohl hier nicht gemeint. Ferner: Welche Kriterien haben da wohl gegolten, wenn ich dort Bob Marley finde? Doch wieder nur geraucht bei der Konferenz? Und, entschuldigt bitte, ihr habt sicher doll Peile vom Business, aber welcher Fliesenleger hat denn da Bob Dylan, Mick Jagger, Bono, Neil Young und KURT COBAIN unter die "besten" Sänger gemogelt? Ich will streng objektiv sein, aber eine Liste, die Kurt Cobains Gesangstalent mit dem von Whitney Houston (liebe Bild, man schreibt es so wie hier gezeigt) vergleicht, ist nicht drogenfrei erstellt worden. Übrigens ähnlich wie der Kommentar darunter, der Jon Bon Jovi fordert. Mit Axl Rose gehts munter weiter bis ich neben der ernsthaft tollen Annie Lennox tatsächlich Morrissey finde und keine Lust mehr habe, mir den Unfug reinzutun. Ich tu's aber doch und blättere weiter. Steven Tyler. Jetzt is aber Schluss hier!
Der am könnenste Sänger, der lockigste Sänger, die busigste Sängerin oder was auch immer. Alles ok. Aber die 100 "besten" Sänger? Egal.

Und so fühlte ich mich selbst gefordert, eine Liste zu erstellen. Meine Top 13, ebenso völlig frei von Objektivität, Historie und Sinn wie Verstand. Aber eben meine Liste, womit sie auch schon genug Daseinsberechtigung hat. Wobei: ich mag noch viele andere, wirklich, aber diese hier sind was ganz Besonderes!

1. Elvis, der Sänger-Sänger
Wir wollen mal alle nicht so tun – ohne Elvis und RTL 2 dürfte auch heute noch kein Sexappeal auf öffentlichen Bühnen stattfinden. Ich bin ein Mann, ja, aber nicht homophob! Der Mann ist vorn, bleibt vorn und kam damit leider nicht klar. Und Himmel, er konnte singen wie Nachbars Nachtigall. Nur tiefer halt.


2. Paul Stanley, der gelippenstiftigste Sänger
Ich lernte Paul kennen, als ich 7 war. Einen der schlimmsten Songs, die Kiss jemals geschrieben haben, der Disco-Knüller "I was made for loving you", war mein Einstieg in die Rock n Roll Welt. Selbst heute, wo ich differenzierter höre und mir Texte mit Inhalt wünsche, kommt eigentlich nichts an Paul Stanley heran. Selbst die völlig belanglose Scheiße, die Kiss später machten und noch machen, kriegt diese Stimme nicht kaputt.


3. Maynard James Keenan, der grübelpoetigste Sänger
Tool sind immer eine Reise wert. Einer Rockband, nach deren Musik Teenies in Discos autistisch rumhüpfen, messe ich erstmal keinen Wert bei. Aber Tool sind anders. Der Gesang ist nicht nur exzellent ausgeführt, ich bin auch noch innerlich ganz durchgerührt. Ich fand mal an irgendeiner Stelle im Netz ein Dokument, in dem sich ein geistig bevorteilter Fan mit den Texten einiger Tool-Platten auseinandersetzte und staunte nicht schlecht über den Inhalt beider Parteien. Zudem hat Maynard auch mit A Perfect Circle ne Nummer laufen, die in ganz anderen Sphären spielt als der übliche Ranz. Wer je "Orestes" gehört hat und mir immernoch widerspricht, dem sollen Hoden am Ohr wachsen.


4. Chris Cornell, der gescheitertste Sänger
Boach, was eine Platte! Badmotorfinger von Soundgarden! Wo Manowar einst auf einem Hügel mit Schwertern und Fell-Schlüpfern standen, befindet sich heute der Krater, den Soundgarden mit "Jesus Christ Pose" im Vorbeifliegen zurechtgebombt haben. Leck mich am Arsch! Es folgte keine Platte mehr, die so schlimm gut war. Das macht aber nix, wenn man eh außer Konkurrenz läuft. Cornells erstes Solo-Album enhielt zwar leider keinerlei Soundgarden mehr, aber diese Stimme darf sich alles erlauben. Dachte ich. Denn dann kamen Audioslave mit ihrer belanglosen Blödelklamotte. Das olle Gitarrengefiepse von Morello teilte sich die Bühne mit Cornells Gesang und der Karren war im Dreck. Wer kommt auch auf solche Ideen? Seitdem macht auch Cornell nur noch Mist. Wieder ein Held weg.


5. Peter Gabriel, der menschenrechtlichste Sänger
Zum "Mann des Friedens" gewählt, saß er schonmal mit Kofi Annan beim Kuchen und ist auch sonst recht umtriebig. Eben solche Dinge vermeiden, dass wir einen Nachfolger von der mittlerweile uralten "Up" zu hören bekommen. Doch wir wollen die Belange des Weltfriedens mal vorn anstellen. Ich sah ihn in 2004 Dortmund und will seither Kinder von ihm.


6. Alison Sudol, die schnuckeligste Sängerin
Eigentlich keine große Nummer, die Alison. Radiomusik. Aber hihihihihi, ich bin immer ganz hin und weg, wenn ich sie höre. Und dieses Video zu "Almost Lover" ... man will sie einfach in den Arm nehmen und ihr all das glauben, obwohl sie noch so klein ist. Wirklich.


7. Annie Lennox, die ohne-Worte-Sängerin
Ich hasse Hobbits! Ich hasse Hobbits! Und ich finde, dass man das nicht genügend oft sagen kann. Und als ich darbte und würgte, als der Film um die drei homosexuellen Krüppelzwerge mit dem Gesichtsausdruck des Leidens Jesu, der mich an die unsägliche Serie "Unsere kleine Farm" erinnerte, was in mir Wogen des Ekels und der Niedertracht aufwühlte, endlich vorbei war ... erklang Annie Lennox. Und sie hat alles wieder gut gemacht. Ich kannte sie vorher, keine Frage, aber hier sang sie mich zum ersten Mal sanft. Und ich war wieder bei mir. Dass sie dafür einen Oskar bekam, ist vollends gerechtfertigt.


8. Beth Gibbons, die suizidalisierenste Sängerin
Nachdem ich sie erst recht enttäuschend fand, läuft die neue Portishead-Scheibe bei mir regelrecht rund. Und auch Beth mag ich immer in den Arm nehmen, so wie Alison, aber ich glaube, dass Beth nach Kippen und Alkohol riecht. Ich weiß auch nicht warum. Man riecht so, wenn man sowas so singt. Man ist nicht gut drauf. Man kann nicht mehr. Mein Anspieltip ist "Hunter", von der aktuellen Third, weil bislang nichts so echt nach der Angst und Verwirrung klingt, die Hoffnung listig vorweg schickt. Finster zwar. Aber es klingt dennoch äußerst schönmundig.


9. Jello Biafra, der punkrettenste Sänger
Chickenshit conformist like your parents! Wer Punker so beschimpft, weiß, wovon er spricht. Ich muss es ihm einfach glauben, weil ich Punk ansonsten sehr blöd finde. Mit den Dead Kennedys ist es ähnlich wie mit Kiss ... ich lernte sie kenne, bevor ich 10 wurde. Und ich liebe sie noch heute. Ein Sozialkritiker meiner ersten Stunden und ganz gewiss ein schlimmer Verschwörungstheoretiker. Aber auch einer, der ordentlich singt! Also ... im Rahmen des Punk. Da gibts ja sonst nur Bad Religion-Imitate oder diesen Tote-Hosen-Rock-Quark. Oder kompletten Schrott, der sich grade deshalb gut findet. Selbst The Exploited machten irgendwann Metal, als sie spielen lernten. Ich hab keinen Dunst, wovon ich schreibe? Natürlich nicht!


10. Kirk Windstein, der dicktraurigste Sänger
Crowbar heißt Brechstange und klingt genauso. Es geht die Geschichte um, dass der Frontmann von Paradise Lost mal durch die Bühnenbretter fiel, nachdem Crowbar als Vorband das Parkett schlappgestampft haben. Ob es stimmt, weiß ich nicht, aber man glaubt es, wenn man Crowbar hört. Man will eigentlich immer gleich weinen, wenn man Kirk singen hört. So ein dicker großer Mann mit Glatze, dem eigentlich der Darm platzen müsste, wenn er seinen Gesang von ganz unten hochwürgt. Aber dennoch ist er so schaurig traurig und man glaubt auch ihm alles, was er jammert. Also ich zumindest. Wer so aussieht hat wenig Spaß. "Existence is punishment"!


11. Björk, die eigenstimmlichste Sängerin
Ja, hm ... komische Musik irgendwie. Und ne ganz komische Frau. Ich nehm zudem viel zu wenig Halluzinogene ein, um ihre Videos zu begreifen. Aber sie singt doch sehr toll. Also nicht gut, aber toll. Ich weiß nicht mehr, wie der Film hieß, in dem ich sie mal sah (bin für Aufklärung dankbar). Sie spielte dort eine Frau, die erhängt werden sollte. Und sie spielte die Angst dermaßen gut, dass ich mich fast bekotzt hätte. Und das ist kein Scheiß jetzt.


12. Dani Filth, der ohrensausendste Sänger
Man kann über Cradle of Filth sagen was man will. Sie waren einfach mal gut. Und das nicht nur, weil der Sänger so großartig wie kleinwüchsig ist. Mit Cradles erster Platte hat Dani den ganzen Black Metal Fuzzis kurzerhand gezeigt, wie es wirklich klingt, wenn der Tod fröstelnd aus dem Grabe fährt. Und dass nicht alle anderen Panda-Rocker sofort die Koffer gepackt haben, um wieder Poolboy oder Blumenhändler zu sein, zeugt von ihrem Selbstbewusstsein. Aber Dani übte ja noch. Auf "Dusk ... and her embrace" konnte ers dann wirklich besser als er selbst und es war erschütternd schön. Ich durfte erleben, wie er seinen Gesangsstil knapp über zwei Stunden live durchzog, ohne zwischendurch Kalk zu knabbern und war beeindruckt. Meine Ohren nicht so. Ein Ausnahmetalent. Und ich würde das gern mal nem HNO-Arzt vorstellen, der mir dann erklärt, wie man sowas aus Stimmbändern rausbekommt. Leider bin ich nicht mehr so ein BlackMetal-Freund und die folgenden Alben gewannen auch mehr und mehr an Bedeutungslosigkeit.


13. Tom Araya, der rettendste Sänger
Wie kann eine Band wie Slayer über gefühlte 9000 Jahre auf dem Gipfel der harten Musik stehen bleiben? Und wie kommen sie überhaupt da hin? Die Songs sind ein schrecklicher Einheitsbrei aus Lärm und ideenfreien Gitarren-Riffs. Der Trommler (oder die Trommler) muss eigentlich immer nur untenrum Gas machen, weshalb Dave Lombardo einer der am schlimmsten überschätzten Menschen des Kosmos ist, und die Soli klingen ALLE, als würde man eine verstimmte Gitarre kilometerlange Kellertreppen runterwerfen. Ihnen kommt zugute, dass sie sich selbst nicht sehr ernst nehmen. Aber ansonsten ... völliger Unfug, diese Musik. Wie hält man sich also oben? Der Tom macht's. Er kann es einfach. Er singt nicht, er schreit nicht, er brüllt auch nicht. Es ist irgendwas dazwischen und jedem anderen würde man vorwerfen, dass es nix Halbes und nic Ganzes ist. Aber Tom kann das. Und es klingt gut. Und deshalb kann man sich Slayer ne Stunde lang anhören. Aber dann ist echt gut.


So, jetzt ist mal echt gut.

2 Response to "Top 13!"

  1. A. Says:

    Dancer in the Dark müsste es gewesen sein. Also deine Symbiose mit Björk.

  2. hodi aka raketenmann Says:

    genau! danke!