Das sagen wir immer.

Es stand mehrfach in der Tagespresse: Einem Schrotthändler aus Hagen wurde auf unfeine Art das Oberstübchen zerbeult.
Naja, ich sag's mal etwas teilnahmsvoller: Man hat ihm mit ner Axt den Kopf eingeschlagen. Für 4000 Euro, unversteuert. Kann man machen.

Der nette Müll-Onkel ist mir nicht nur aus Funk und Fernsehen, sondern auch persönlich bekannt. Er war Nachbar meiner Eltern und ein Meerschwein von einem Mann. Schon komisch, wenn einem der Grusel so nahe kommt.

Ich bekam natürlich das Geschehen am Telefon geschildert, noch bevor ein Reporter es tippen konnte. "Den habense erschlagen. Ganz brutal erschlagen." Die Wiederholung des Wortes "erschlagen" gründet in der Ermangelung einer weiteren, noch reißerischen Vokabel. Es wären noch "totprügeln" und "töten" möglich gewesen, wobei Letzteres aber auch einfach nicht genug ist. So geiferte es mir durch den Hörer entgegen und ich kann das sogar verstehen, keine Frage. Ich hab nur immer so ein ungutes Gefühl, wenn speichelnass mit immer mehr Superlativen aus allen Rohren geschossen wird, bis die Sprache nach oben keine Luft mehr lässt. Dann kommt der Infarkt.

Die Angelegenheit als solche ist ja schon traurig genug. Gut, dass ich keine 4000 Euro besitze. Wirklich bedenklich ist die Täterbeschreibung, die sich dem Ramentern anschloss:
"Das waren diese Rucksackdeutschen, diese Türken!"
"Wer?"
"Diese ganzen Russen da, die Dreckschweine!"
"Haben sie den Täter denn schon?"
"Nein! Aber das waren diese Dreckschweine, diese Rucksackdeutschen, (blablabla) Sowas machen Deutsche nicht!"

Das Gespräch hatte keine Zukunft. Ich wurde etwas sauer ob des groben Unfugs, der da gesprochen wurde und mein Gegenüber wurde sauer, weil ich ihm das auch mitteilte. Ich bin froh, dass ich zwischen Irren und Nicht-Irren unterscheiden möchte und dies nicht anhand von Herkunft und derlei erledige. Es fällt natürlich auch mir manchmal schwer. Ich bin auch froh, eine schlimme Begebenheit nicht als Anlass nehmen zu müssen, unbewusst meine Wut auf die gesamte Welt zu transportieren, weil die Politiker alle Verbrecher sind und in Deutschland so mieses Wetter herrscht. Immer. Natürlich bringen Russen Leute um! Aber Griechen auch! "Sowas machen Deutsche nicht" würde MIR nur im Zusammenhang mit geheimen Stammesriten der Pygmäen-Völker hinter den sieben Bergen einfallen. Und selbst da wär ich unsicher. Deutsche erschlagen niemanden. Weiß man ja.

Ein zufälliges Zusammentreffen mit anderen empörten Nachbarn, die ich wirklich nur zufällig treffe, weil sie eine nette Katze haben, ergab Tage später folgendes Gesprächsimitat:

"Was halten SIE denn davon?"
"Wovon?"
"Na die Sache mit dem Willi. Das ist doch schrecklich."
"Naja, schrecklich. Schlimm. Aber ich weiß ja auch nix. Was soll ich da lamentieren?"
"Das waren Russen."
"Echt? Haben sie den Typen gekriegt?"
"Nein."
"Wieso dann Russen?"
"Deutsche machen sowas nicht."
"Wieso das denn nicht?"
"Na das sagen wir immer. Deutsche machen sowas nicht."
"Soso. Das sagen sie also immer. Wie alt ist die Katze jetzt?"


Tja. Das sagen sie also immer. Immer. Immer wieder. Immer sagen sie das. Immer.

Nur jetzt nicht mehr. Nicht mit wenig innerer Befriedigung las ich gestern von der Ergreifung des Täters. Auch, weil er gebürtiger Hagener ist.




0 Response to "Das sagen wir immer."